1. Schritt
Weißt Du was ich nicht verstehe? Chinesisch.
Entschuldige den alten Schenkelklopfer. Was hat das mit Musikalität und Zuhören zu tun? Erfährst Du am Ende der Lerneinheit – außerdem erfährst Du etwas über die wissenschaftlichen Hintergründe des Zuhörens und warum man diesen Kurs eigentlich auch als ‚Zuhören-Kurs für Fortgeschrittene‘ bezeichnen könnte.
2. Schritt
Schau Dir jetzt das zweite Video zum Thema ‚Antizipation‘ an und tanze mit!
3. Schritt
Aufmerksames Zuhören ist auch aufgrund der dadurch möglichen Antizipation grundlegend für ein musikalisches Tanzen! Wenn da jetzt nicht die Bewegung so ablenkend wäre! Warum die Bewegung eigentlich gar nicht ablenkend sein sollte, erfährst Du im nächsten Abschnitt.
4. Schritt
Schau Dir jetzt noch das Video zum Vokabular an und löse die interaktive Aufgabe darunter! :)
5. Schritt
Wenn wir uns nur mal die Musikalitäts-Matrix ansehen, sind alle anderen Musikalitäts-Skills auf diese eine Fähigkeit angewiesen. Ohne Zuhören kein Tanzen. Der Fokus spielt dabei beim Zuhören eine große Rolle:
Ein kleiner Ausschnitt aus der Konversation eines Pärchens: „Schatz, vergiss nicht, heute Abend treffen wir uns mit den Meiers! – Hast Du gehört?“ – Die Antwort wird wahrscheinlich „Ja!“ sein, aber ob er/sie sich danach noch daran erinnern kann hängt davon ab, ob aufmerksam zugehört wurde. Zuhören funktioniert nicht wenn Du Dich gerade auf etwas anderes konzentrierst. Das ist im Gespräch mit dem Partner oder der Partnerin nicht anders wie in der Musik.
Das Problem beim Tanzen ist, dass der Fokus auf die Figuren die Aufmerksamkeit meist komplett vereinnahmt. Musik ist mehr als das rhythmische Gitter auf das Schritte getanzt werden können. Musik ist mehr als ein Medium, dass den stillen Raum füllt. Um musikalisch tanzen zu können muss man ZUERST Zuhören. Das ist die natürliche Reihenfolge bei jedem Tanz! Je mehr man diesbezüglich gibt, desto mehr bekommt man auch zurück.
Das ist sogar auf neuronaler Ebene so: „[D]ie Forschung zeigt, dass Musik und Tanz, also Hören und Bewegen, in unserem Gehirn fest verbunden sind. […] Wenn wir Musik hören, können wir oft gar nicht anders, als uns zu bewegen. […] Das kommt daher, weil in unserem Gehirn die Nervenzellen, die für das Hören und die Bewegungssteuerung zuständig sind, miteinander gekoppelt sind“.¹
Leider werden beide Bereiche häufig getrennt und der Teil des Zuhörens kommt in Tanzkursen dadurch oft zu kurz. Tanzforscherin Julia Christensen bezeichnet die Trennung von Bewegen und Hören als einen „Gewaltakt, den unsere aufgeklärte strukturierte Gesellschaft erst vor kurzem eingeführt hat“.¹ Typisch (Tanz-) Schule.
Musikalisches Tanzen, bedeutet Musik tänzerisch zu interpretieren. Das Zuhören ist dabei die Schnittstelle zwischen Musik und Interpretation. Sie wird im Tanzunterricht aber häufig ignuriert: Musikalisches Training (und damit zwangsläufig Zuhör-Training) kommt, wenn überhaupt, meistens erst relativ spät in der Tanzlaufbahn. Bis dahin läuft die Fähigkeit des Zuhörens auf minimalster Sparflamme.
Deine Realität gibt es nicht. Meine auch nicht. Der Filter, durch den die Reize müssen bevor sie in das Gehirn kommen, ist bei jedem anders. Er hängt von der aktuellen Stimmung, der Einstellung, dem Wissen und den Vorerfahrungen ab, welche die Person mit Musik gemacht hat. Jemand der Musik studiert hat, hört anders und etwas anderes, als jemand der noch nie ein Instrument in der Hand hatte. Ein Pianist hört anders als ein Gitarrist und sogar die gleiche Person hört in einer entspannten Situation etwas anderes als z.B. in einem wütenden Zustand.
Das Musikerlebnis ist höchst individuell.
Das ist so, weil unser Gehirn jede Sekunde Millionen von Informationen aus allen Sinneskanälen bekommt. Es muss automatisch entscheiden welche Informationen ins Bewusstsein durchkommen und welche nicht. Die Regeln nach denen wir die Informationen aussortieren, werden durch unsere Vorerfahrungen bestimmt: Wenn wir ein musikalisches Muster nicht kennen, oder es unserem Unterbewusstsein nicht besonders wichtig erscheint hören wir es nicht, weil es nicht durch ‚unseren Filter‘ kommt. Obwohl es da ist, bekommen wir es nicht mit.
Aus der Erkenntnis des individuellen Musikerlebnisses können wir etwas lernen:
Es ist einfach zu sagen, das Lied gefällt mir oder es gefällt mir nicht. Es ist gut oder schlecht. Aber es ist immer eine Momentaufnahme, wie dieses Stück gerade jetzt in mir resoniert! Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass sich die Einstellung zu einem Stück, oder einer Musikrichtung komplett ändert. Sei es durch eine Erweiterung des musikalischen Wissens oder bloß durch mehrmaliges Hören. Ich bin mir sicher Du hast diesen Prozess schon etliche Male selbst durchlaufen.
Versuche Deinen Geschmack auszuweiten! Versuche etwas Neues zu entdecken und nicht immer nur im gleichen, musikalischen Wohlfühl-Bereich zu bleiben. Lerne andere Musik zu lieben!
Beim Hören von Musik gibt es kein richtig oder falsch! Jede Art von Zuhören hat seine eigene, individuelle Berechtigung. Wenn man aber mehr über die Musik erfahren will und etwas über die Nuancen lernen will gibt es einige Tricks:
- Mindset: ZUERST Zuhören.
Ohne Zuhören kein Tanz! Je mehr man fokussiert zuhört, desto musikalischer kann man auch tanzen! Fokussiertes Zuhören heißt NICHT, dass man sich dabei nicht bewegen darf, weil die Gehirnzellen die für das Hören und das Bewegen zuständig sind miteinander gekoppelt sind. - Zuhören bedeutet auch Antizipation.
Wenn man aufmerksam zu hört, erfährt man nicht nur was geklungen ist, sondern auch was klingen wird. - Vokabeln lernen!
Klingt wie ein Scherz, ist es aber überhaupt nicht. Figuren sind auch soetwas wie Vokabeln und die werden die ganze Zeit geübt. Musikalische Muster überhaupt nicht! Warum? - Zu zweit hört man mehr.
Zuhören geht nicht nur durch die eigenen Ohren, sondern auch durch die des Partners/der Partnerin. Deshalb rate ich davon ab das ganze Lied eine Art umgekehrten Dirigenten zu machen. Auch auf Tanzpaar-Ebene sollte zugehört werden. Das funktioniert nur wenn man dem Partner/der Partnerin Raum gibt das Gehörte zu interpretieren.
Einen weiteren Tipp will ich in dieser Lerneinheit noch loswerden:
Ich liebe Live-Musik, weil es die echte, reine, direkte Art des Musikerlebnisses ist. Wenn man musikalisch auf Live-Musik tanzen will, ist das aber deutlich schwerer als auf Musik vom Band. Woran liegt das?
Während bei Musik vom Band die Interpretation immer gleich ist, ist das bei Live-Musik seltener der Fall. Es gelten die gleichen Regeln (sie sind sogar noch wichtiger), aber dadurch, dass wir einen Live-Auftritt immer irgendwie zum ersten Mal hören, können wir uns nicht auf die abgespeicherten Stücke und Phrasen verlassen. Es ist schwerer, aber dafür auch etwas ganz besonderes.
- Follower:
- Versucht so viele Informationen über einen Song wie möglich aufzunehmen (v.a. zu Beginn)
- (Er)kennt viele musikalische Stilmittel (wenn nicht alle)
- Versucht jeden Song nicht nur mit den eigenen Ohren, sondern auch durch die Ohren des Leaders zu hören
- Leader:
- Versucht so viele Informationen über einen Song wie möglich aufzunehmen (v.a. zu Beginn)
- (Er)kennt viele musikalische Stilmittel (wenn nicht alle)
- Versucht jeden Song nicht nur mit den eigenen Ohren, sondern auch durch die Ohren des Followers zu hören
Fazit & Extras
- Zuhören = Basis von allem!
- Auch musikalische Muster müssen erlernt werden, damit man sie erkennen kann!
Zum Zuhören eignen sich eigentlich alle Playlists der Musikalitätsmatrix. Klick Dich doch einfach mal unter dem Forrówelt-Account auf Spotify durch. Immer wenn eine Zahl vor einer Playlist steht, gehört sie zum Musikalitätskurs. 👂🎶
¹ Christensen, J. F., & Chang, D. S. (2018). Tanzen ist die beste Medizin: warum es uns gesünder, klüger und glücklicher macht. Rowohlt Verlag GmbH.
² Stolovitch, H. D., & Keeps, E. J. (2011). Telling ain’t training. American Society for Training and Development.
Das Musikerlebnis geht über das Hören hinaus. So kann man selbst als gehörlose Person Musik empfinden (und tanzen), durch die Schwingungen, welche durch die Schallwellen im Körper erzeugt werden. Wer das nicht glaubt stellt sich beim nächsten großen Konzert einfach mal neben die Lautsprecher-Box. Und auch die Augen haben ihren Anteil am Musik erleben: Wenn wir etwas sehen (oder etwas angedeutet wird), das einen Ton von sich geben sollte, wir es aber nicht hören haben wir eine lebendige Vorstellung davon wie es sich anhören müsste.